IPPNW-Pressemitteilung vom 28.08.2023
Neuer IPPNW-Report
28.08.2023 Morgen, am internationalen Tag gegen Atomtests, veröffentlicht die IPPNW Deutschland einen neuen Report zu den katastrophalen Folgen von Atomwaffentests. Der Bericht sammelt Texte von Dr. Arjun Makhijani, Präsident des Institute for Energy and Environmental Research, und Dr. Tilmann Ruff, Ko-Präsident der IPPNW von 2012 bis 2023, über die Auswirkungen von Atomtests in den wichtigsten Testgebieten. Sie geben den Leser*innen einen erschütternden Überblick über das Ausmaß der Katastrophe für Mensch und Umwelt. Die IPPNW fordert die Bundesregierung auf, sich für die Unterstützung und Entschädigung der Überlebenden der weltweit über 2.000 Atomtests einzusetzen, wie es in dem seit dem 22. Januar 2021 völkerrechtlich in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag vereinbart ist.
„Die verheerenden Folgen der Atomwaffentests für Mensch und Umwelt zeigen, dass das Atomzeitalter keineswegs ein Zeitalter des Friedens ist. Das radioaktive Erbe der Tests wird für viele tausend Jahre eine ständige Bedrohung für das Leben und die Gesundheit unserer und künftiger Generationen bleiben“, so die IPPNW-Ärztinnen Inga Blum und Angelika Claußen.
Der radioaktive Fallout der Atwomaffentests verteilte sich über den gesamten Planeten, doch die Auswirkungen in den Einsatz- und Testgebieten der Atomwaffen sind besonders gravierend. Auf den Atollen Bikini und Eniwetok im Pazifik führten die USA zwischen 1946 und 1962 106 Atombombenversuche durch. Der verheerendste Test war 1954 „Castle Bravo“. Mit 15 Megatonnen hatte diese Wasserstoffbombe die höchste Sprengkraft, die das US-Atomwaffenprogramm jemals erreichte, 1.000-mal stärker als die Hiroshimabombe. Erst im Jahr 1963 untersagte der „Vertrag über das Verbot von Atomwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser“ überirdische Atomtests.
Nicht nur auf den Marshallinseln, auch in anderen Regionen der Welt wurde getestet, meist in Kolonien, ehemaligen Kolonien oder in den Gebieten ethnischer Minderheiten. Oberirdische Tests wurden in Semipalatinsk (Kasachstan), auf traditionellem Land der Westlichen Shoshone in Nevada (USA), auf dem Land der Aborigines im australischen Outback, auf dem Land der indigenen Nenetz in der russischen Arktis, auf dem Gebiet von Nomaden in der algerischen Sahara oder in der Region der Uiguren in China durchgeführt. Die Bewohner*innen wurden oft verspätet oder gar nicht evakuiert und nicht über die Auswirkungen der Tests informiert.
Radioaktiver Niederschlag fiel als Staub und Regen herab und verseuchte das Trinkwasser und lokal erzeugte Lebensmittel. Dadurch kam es zu äußerlicher und zu innerer Strahlenbelastung. Viele erkrankten und starben an Krebs und anderen strahlenbedingten Krankheiten, auch an akuter Strahlenkrankheit. Nach Angaben der Internationalen Agentur für Krebsforschung wiesen Frauen in Französisch-Polynesien im Zeitraum 1998 – 2002 die weltweit höchsten Raten an Schilddrüsenkrebs und myeloischer Leukämie auf, Krebsarten, die eng mit Strahlenbelastung zusammenhängen. Es kam zu Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und zu Geburten von Kindern mit angeborenen, oft schweren körperlichen Missbildungen und geistigen Behinderungen. Langfristig ist durch die in die Atmosphäre freigesetzte Radioaktivität nach Schätzungen von Makhijani und Ruff mit 2,4 Millionen zusätzlichen Krebstoten zu rechnen.
Unterirdische Atomtests führten zur Ablagerung großer Mengen Radioaktivität unter der Erde, die zum Teil erst nach Tausenden oder sogar Millionen von Jahren abgebaut sein wird. Die massiven Explosionen haben die Stabilität der umliegenden Strukturen erschüttert und die Wahrscheinlichkeit einer Freisetzung ins Grundwasser, ins Meer oder in die Atmosphäre erhöht. Der Anstieg des Meeresspiegels aufgrund der Klimakrise und die Zunahme extremer Wetterereignisse wie Wirbelstürme verschärfen das Problem.
Die deutsche Bundesregierung hat sich bei der ersten Staatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages im Sommer 2022 bereit erklärt, sich für Hilfsmaßnahmen für Überlebende von Atomwaffentests und für die Sanierung kontaminierter Gebiete einsetzen zu wollen. Außenministerin Annalena Baerbock bestätigte diese Vorhaben in einer Rede am 1. August 2022 vor den UN. Die nächste Staatenkonferenz findet vom 27. November bis 1. Dezember 2023 in New York statt. An dem Treffen wird eine 6-köpfige IPPNW-Delegation teilnehmen.
Den IPPNW-Report „Die katastrophalen Folgen der Atomtests – Auswirkungen auf Mensch und Umwelt“ finden Sie morgen ab 11 Uhr unter www.ippnw.de/bit/survivorreport
Weitere Informationen finden Sie morgen auch auf der Homepage survivors.ippnw.de
Kontakt: Angelika Wilmen, Tel. 030 698074-13, Email: wilmen@ippnw.de